Versuch einer Standortbestimmung zur aktuellen Situation in Herringen

Die Häuser* an der Waldenburgerstr. in Hamm-Herringen sind seit Wochen in einer beispielhaften Diskussion: In ihr werden sowohl die Alltäglichkeit von deutschen Zuständen offengelegt als auch einmal mehr die Folgen verfehlter staatlicher Politik und kapitalistischer Herrschaft zu Tage gefördert. Herringen ist ein vom Zuzug von Arbeitenden geprägter Stadtteil im Ruhrgebiet, 2010 wurde die letzte Zeche Hamms, das Bergwerk Ost, stillgelegt. Vor einigen Wochen kam es zu einer Diskussion um ein angeblich geplantes Übergangsheim für Flüchtlinge in den Häusern der Waldenburgerstraße. Kurz nachdem dieses Gerücht in Herringen kursierte, organisierten sich „besorgte Bürger“ und ergingen sich in rassistischer Hetze um einen „deutschen Mob“ zu organisieren. Hier der ganze Vorgang: aah.noblogs.org. Nun will Westfleisch, ein fleischverarbeitendes Unternehmen, in den Häusern rumänische Vertragsarbeitende unterbringen. Auch hier wieder dasselbe Bild: Es dauerte nicht lange und erneut ergingen sich Menschen in rassistischen Vorurteilen und fremdenfeindlicher Hetze. Auf dem kürzlich aufgetauchten tumblrblog werden Äußerungen von Facebook-Usern dokumentiert. In dem Material aus der geschlossenen und mittlerweile von Facebook gesperrten Gruppe “Gegen die Rumänen in der Waldenburgerstraße” finden sich selbstredend auch altbekannte Mitglieder der rechten Szene Hamm. So bot Björn Rimmert*, ehemaliges Mitglied der verbotenen Kameradschaft Hamm, sofort an, das Plakatmotiv zu gestalten. Weiter scheint es in der Gruppe scheinbar niemanden zu stören, wenn offen zu Brandanschlägen oder Körperverletzungen aufgerufen wird. Dabei stinkt der Fisch bereits vom Kopf herab: Westfleisch wirbt gezielt Arbeitskräfte in Rumänien an, nimmt sie in ein befristetes Arbeitsverhältnis auf 6 Monate und gibt ihnen eine „Unterkunft“. Sie versprechen gleichzeitig, den angeworbenen Lohn oberhalb des „Mindestlohns“ (der fleischverarbeitenden Industrie wohlgemerkt) zu zahlen. Ohne weitere Absicherung und ohne freie Wahl des Wohnortes wird dadurch eine doppelte Abhängigkeit zwischen Westfleisch und den Arbeitenden geschaffen. So werden Letztere in die kapitalistische Verwertungslogik integriert – ohne Rücksicht auf soziale Folgen und rein profitorientiert. Dass die „Unterkunft“ dazu in einem so nicht hinnehmbaren Zustand in einem maroden Gebäude liegt, ist dabei nur eine weitere Spielart des Ausbeutungsverhältnisses. Die Häuser der Waldenburgerstraße sind nach der Pleite des vorherigen Eigentümers, der sie verfallen ließ, einem Insolvenzverwalter unterstellt. Sie sind in den letzten Jahren immer weiter abgewirtschaftet worden und mittlerweile in einem solch maroden Zustand, dass ein Abriss gerechtfertigt ist. Die Stadt Hamm bietet mit um einen Ankauf der Häuser. Wir fordern von der Stadt ein schlüssiges Konzept, wie mit der dann womöglich frei werdenden Fläche umgegangen werden soll. Eine rein private Nutzung durch Ein- oder Zweifamilienhäusern kann dabei nicht das Ziel sein. Wir brauchen in Hamm einen sozialen Wohnungsbau, der bezahlbaren Wohnraum bietet. Der rassistischen Hetze um die Entwicklungen an der Waldenburgerstraße erteilen wir eine klare Absage. Wir fordern alle Menschen auf, sich solidarisch zu zeigen mit allen, die von Ausbeutung und Ausgrenzung betroffen sind.