Redebeitrag 3. Oktober 2018

Hier findet ihr unsere Redebeitrag, den wir auf der Demonstration des haekelclub590 gehalten haben. Darin behandeln wir die neusten Aktivitäten der Neonazis.

Liebe Freundinnen und Freunde, es freut uns, dass ihr heute alle zu der Demonstration gekommen seid, um gegen Neonazis und den Rechtsruck zu demonstrieren. Wir denken es ist allerhöchste Zeit, um einem öffentlichen wiedererstarken der Neonaziszene entgegenzutreten. Wir stehen hier in direkter Nähe zu ihrem vermeintlichen „Nationalen Zentrum“ und möchten euch hiermit einen kleinen Abriss über die Aktivitäten der Neonazis geben.

Im Januar veröffentlichten wir einen Rückblick zu den Aktivitäten der Neonazis, der letzten zwei Jahre und griffen die Aussagen des Verfassungsschutzberichtes auf, der den „Die Rechte“ Kreisverband Hamm als deutlich weniger aktiv bezeichnete. Obwohl sich die Neonazis lediglich aus der öffentlichen Wahrnehmung zurückzogen haben, waren sie in dem Zeitraum nie verschwunden. So beschmierten sie beispielsweise 2016 das Parteibüro von „Die Linke“ sowie den Moscheebau in Herringen mit Hakenkreuzen und Nazi-Parolen. Zudem organisierten Sie in den Jahren 2016 und 17 mindestens elf Rechtsrockkonzerte. Sie versuchten in der Fanszene der Hammer Spielvereinigung Fuß zu fassen und dort eine eigene Gruppe aufzubauen. Mehrmals kam es bei Spielen zu neonazistischen Ausschreitungen, darunter Platzstürme, Hitlergrüße oder rassistische Beleidigungen gegen gegnerische Fans und Spieler. Dies sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen sollen das in der Zeit der letzten zwei Jahre von einem Verschwinden der Neonaziszene oder einem deutlichen Aktivitätsrückgang in Hamm nicht gesprochen werden kann.

Von daher ist es wenig überraschend, dass im März diesen Jahres die Neonazis zurück in die Öffentlichkeit getreten sind und bereits zwei Kundgebungen und eine Demonstration durchgeführt haben. Dazu wurde eine neue Facebook-Seite eingerichtet, die sich „Nationaler Aufbruch Hamm“ nennt. In deren vermeintlichen „Selbstverständnis“ steht, sie seien ein Zusammenschluss des lokalen Kreisverbandes von „Die Rechte“ und „parteifreien Kräften“. Die Neonazis versuchen hiermit nicht einmal mehr den Anschein zu erzeugen eine Partei zu sein, sondern knüpfen wieder an die Traditionen der 2012 verbotenen Kameradschaft Hamm an. Dazu gehört auch das die Neonazis Anfang März, das 15 -jährige Bestehen eben jener Kameradschaft Hamm mit einem Liedermacherabend in ihrem sogenannten „Nationalen Zentrum“ feierten, parteipolitische Arbeit sucht man hingegen vergeblich. Es zeichnet sich ab, das Verbot vor sechs Jahren hat nichts gebracht. Eine organisierte Neonaziszene kann nur durch konsequentes Handeln aller gestoppt werden und nicht durch Verbote, kleinreden seitens der Stadt oder gar den unterstützenden Verfassungsschutz.

In Hamm zeigt sich wie die Neonazis gefestigte Strukturen aufbauen, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird. Mit ihren oben bereits genannten Räumlichkeiten verfügen sie seit 2012 über einen zentralen Treffpunkt für radikale Rechte aus der gesamten Region. Zudem bietet die Lokalität Raum für Konzerte, Vorträge und andere Veranstaltungen. Allein in diesem Jahr fanden mindestens sieben Konzerte oder Liedermacherabende statt. Dass die Hammer Neonazis nicht unbedeutend im Rechtsrock-Geschäft sind, zeigt sich schon an der Tatsache, dass nachdem das bundesweit bekannte Nazigroßkonzert „Rock gegen Überfremdung“ kurz vor dessen beginn abgesagt werden musste, im Kentroper Weg in kürzester Zeit eine Ersatz-Veranstaltung organisiert wurde. Hinzu kommt noch, dass sie innerhalb der Rechtsrockszene durch die jahrelange Etablierung Hamms als Ort an dem ungestört durch Stadt und Polizei Konzerte gefeiert werden können, einen gewissen Status erreicht haben. Zudem besitzen sie durch eine sehr gute Vernetzung und persönliche Kontakte oder Überschneidungen von lokalen Neonazimusikern mit bedeutenden Bands die Fähigkeit Szenegrößen nach Hamm zu holen. So spielten, um zwei Beispiele zu nennen, die bundesweit bekannte Hooligan Band Kategorie C nach einer Kundgebung im März in Hamm und Ende Mai trat Michael Regener alias Lunikoff, der ehemalige Sänger der verbotenen Band Landser im Kentroper Weg auf. Dabei wird die Bedeutung der Rechtsrock-Konzerte für die Neonazi-Szene oftmals verkannt. Es handelt sich nicht nur um harmlose Musikveranstaltungen. Konzerte sind ein wichtiger Teil der neonazistischen Erlebniswelt: sie schaffen Gemeinschaftserlebnisse und Kommunikationsorte. Politische Inhalte werden emotional aufgeladen präsentiert und Konzerte schaffen Selbstvergewisserung. Dazu kommt das sie eine wichtige Einnahmequelle für die Szene sind. Mit dem Geld wird die politische Arbeit finanziert oder Prozesskosten verurteilter Neonazis bezahlt.

Jedoch sind die Nazis nicht nur im Bereich des Rechtsrock bestens vernetzt. Enge Kontakte bestehen seit Jahren zur rechtsradikalen Szene nach Chemnitz, Chemnitzer Neonazis besuchen des Öfteren Hamm und Hammer Kamerad_innen reisten Anfang September zu den rassistischen Ausschreitungen in den Osten. Ebenfalls bestehen hervorzuhebende Verbindungen zu den Jungen Nationalisten und der NPD. Hammer Faschist_innen nahmen am 3, Europakongress der Jungen Nationalisten in Riesa teil und übernahmen dort medientechnische Aufgaben, wie das Erstellen von Fotos und Werbevideos. Sie nahmen zudem noch am Leistungsmarsch der JN teil, sowie an einer häufig zu Vernetzung genutzten Brauchtumsfeier der NPD in Celle und besuchten Mitte September mit einer Delegation den JN-Gemeinschaftstag in Braunschweig. Doch nicht nur deutschlandweit bestehen Verbindungen. Auf der Mobilisierungskundgebung Ende März für die “Europa Erwache” Demonstration in Dortmund, sprach ein Neonazi aus Ungarn Grußworte. Zirka eineinhalb Monate zuvor besuchten Neonazis aus Hamm und Dortmund den von dem seit 2000 in Deutschland verbotenen “Blood and Honour” Netzwerk organisierten “Day of Honour”. Einer neonazistischen Veranstaltung, welche die Schlacht um Budapest im Jahre 1944 verklärt. Dort werden zusammen Konzerte gefeiert, sich vernetzt und eine Wanderung, die den Ausbruch der Nazi-Armee nachstellen soll, abgehalten. An all diesen Aktivitäten in Ungarn haben Hammer Neonazis teilgenommen.

Die Neonazis beschränken sich aber nicht auf Konzerte und Vernetzungsarbeit. Sie griffen bundesweit inszenierte Kampagnen auf, wie die für die seit Mai inhaftierte Shoa-Leugnerin Ursula Haverbeck oder für die Heß-Demonstration in Berlin. Im Zuge der Kampagnen verklebten sie Plakate, hängten Banner an Brücken auf, verteilten Flyer oder schmierten Grafitti unter Autobahnbrücken. Sie besuchen regelmäßg bundesweite Demonstrationen, wie zum Beispiel den “Tag der deutschen Zukunft” oder die bereits erwähnten Veranstaltungen. Dort übernehmen sie meist medientechnische Aufgaben und veröffentlichen im Anschluss Fotos und Videos.

Es zeigt sich, dass die Verharmlosung durch die Stadt und den Verfassungssschutz nicht zutreffend sind. Entgegen der Behauptungen versuchen die Neonazis hier immer weiter Fuß zu fassen. Wir nehmen das nicht hin! Im Kampf gegen die lokalen Nazistrukturen können wir uns nicht auf die Polizei oder die Stadt Hamm verlassen. Wir werden es weiterhin nicht hinnehmen, dass sich Nazis in Hamm ungestört organiseren, ihre Freiräume ausbauen und ihre Propaganda verbreiten. Wir sind mit diesem Anliegen nicht allein. Es gibt in Hamm eine Zivilgesellschaft, die diesen Zustand nicht akzeptiert. Es gibt Menschen und Gruppen, die gegen ein Nazizentrum in der Stadt kämpfen. Also lasst uns alle zusammenstehen und gemeinsam die Neonazis aus unseren Wohnvierteln, Kneipen, Stadien und überall sonst vertreiben, denn wir wollen keinen einzigen Millimeter für Nazis.