Rechtsterroristische „Gruppe S“: Hatte der beschuldigte Polizeimitarbeiter aus Hamm schon in den 1990er Jahren Kontakt zu Neonazis?

Der wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzende Polizeiverwaltungsmitarbeiter Thorsten Wollschläger aus Hamm könnte bereits Anfang der 1990er Jahre Kontakt in die organisierte Neonaziszene gehabt haben. Erst in dieser Woche waren Versäumnisse der Polizei Hamm im Umgang mit dem Terrorverdächtigen bekannt geworden. So meldeten Bürger*innen bereits 2018 der Polizei, dass Wollschläger zwei Reichskriegsflaggen am Balkon seines Hauses gehisst hatte. Die Kriminalpolizei sah in den Flaggen keinen strafrechtlichen Verstoß, meldete den extrem rechten Vorfall aber behördenintern nicht weiter. Auch das Tragen von Kleidung einer extrem rechten Modemarke im Dienst führte nicht zu dienstrechtlichen Konsequenzen. Dies waren jedoch nicht die einzigen Hinweise auf die extrem rechte Gesinnung von Wollschläger.

Nach Informationen der „Antifaschistischen Aktion Hamm“ könnte Wollschläger bereits Anfang der 1990er Jahre, und damit vor seiner Ausbildung zum Polizisten bzw. Verwaltungsbeamten, Kontakt zu Neonazis gehabt haben. Der Name und eine Hammer Adresse eines Thorsten Wollschläger finden sich in einer Datei, in der die „Nationalistische Front“ (NF) ihre Mitglieder und Sympathisant*innen verwaltete. Aus dem Eintrag zu Wollschläger geht auch hervor, dass er 50 DM Umsatz mit der NF hatte. Vermutlich hatte er Material im NF-eigenen „Klartext-Verlag“ bestellt. Die NF, die ihr Hauptquartier in Detmold hatte, war im November 1992 vom Bundesinnenministerium verboten worden. Im Frühjahr 1992 hatte der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a StGB) gegen den NF-Anführer Meinolf Schönborn und 13 weitere Mitglieder eingeleitet. Der NF wurde vorgeworfen ein „Nationales Einsatzkommando“ bilden zu wollen. Bei Hausdurchsuchungen im März 1992 wurden eine Schusswaffe, Munition und Molotow-Cocktails beschlagnahmt. Das §129a-Verfahren wurde später eingestellt.

„Es muss jetzt nicht nur geklärt werden, seit wann Thorsten Wollschläger über welche Kontakte in die Neonazi-Szene verfügte. Noch wichtiger ist es, herauszufinden, inwieweit er seine Zugänge und Befugnisse als Polizeimitarbeiter nutzte, um extrem rechte Gruppen, Personen und Aktivitäten zu unterstützen“, so Michael Tillmann, Sprecher der „Antifaschistischen Aktion Hamm“. Vor allem müsse geklärt werden, inwiefern Thorsten Wollschläger seinen Zugriff auf polizeiliche und andere behördliche Informationssysteme nutzte, um Daten von möglichen Anschlagszielen, etwa Politiker*innen oder politischer Gegner*innen, zu recherchieren. Jüngst ist bekannt geworden, dass Thorsten Wollschläger auch mit der Erteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen befasst war. Die Antifa Hamm fordert deshalb sämtliche Vorgänge, an denen Thorsten Wollschläger bei der Polizei beteiligt war, umfassend zu überprüfen.

Zudem wurde nun bekannt, dass die Polizei aktuell zwei weitere Beamte wegen des Verdachts auf extrem rechte Einstellungen und Aktivitäten als „Prüffälle“ deklarierte. Bereits Ende 2016 war öffentlich geworden, dass ein Hammer Polizeibeamter mit den extrem rechten „Reichsbürger“ sympathisierte (1). Aus Sicht der Antifaschistischen Aktion Hamm müssen die Polizei Hamm und das Innenministerium klären, ob noch weitere Polizeibeamte mit den politischen Ideen von Thorsten Wollschläger sympathisierten. Weitere Beschuldigte im Verfahren gegen die „Gruppe S“, wie die Polizei sie nach ihrem mutmaßlichen Anführer Werner Somogyi nannte, sind als „Reichsbürger“ bekannt. So etwa die beiden Männer aus Porta Westfalica und Minden, denen deshalb ein Waffenschein untersagt bzw. entzogen wurden.

 

(Neonazi und Mitarbeiter der Polizei Hamm; Thorsten Wollschläger im März 2019)