Gegen 1000 Kreuze!

Zum wiederholten Mal wollen am 10. März 2012 christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner_innen unter dem Motto „1000 Kreuze für das Leben“ durch Münsters Innenstadt ziehen. Sie selbst geben als ihr Hauptanliegen an, mit ihrem Gebetszug ein „Zeichen zum Gedenken der 1000 Kinder [Embryonen], die an einem gewöhnlichen Werktag in Deutschland getötet werden,“ setzen zu wollen. Als weiße Holzkreuze tragende Prozession geben diese Christ_innen nicht nur ein groteskes Bild ab, mit ihren reaktionären Positionen propagieren sie ein, frauenfeindliches, sexistisches und homophobes Weltbild. Bereits in den letzten Jahren organisierte sich dagegen vielfältiger Protest und auch in diesem Jahr sollen die reaktionären Positionen nicht unwidersprochen bleiben.

Schwangerschaftsabbruch ist Frauenrecht – § 218 abschaffen!
An der Entscheidungsfreiheit eines Menschen darüber, welche Eingriffe an dem eigenen Körper vorzunehmen sind, spiegelt sich individuelle Freiheit, Menschenwürde und Selbstbestimmung. Unter dem Deckmantel des „Schutzes ungeborenen Lebens“ fordern die selbsternannten „Lebensschützer“ nichts anderes, als die Bestimmung über den Körper von Schwangeren. Der Versuch Frauen zu zwingen, sich und ihren Körper in den Dienst der „Lebensrettung“ eines Embryos und der Reproduktion der Gemeinschaft zu stellen, ist Ausdruck einer gewaltvollen Zuschreibung, die Frauen zu Gebärmaschinen degradiert und ihnen das Recht auf eigene Bedürfnisse, Überzeugungen und ein selbstbestimmtes Leben abspricht. Mit der Behauptung Schwangerschaftsabbruch sei Mord und die abgetriebenen Embryos bereits Kinder wird versucht, manipulativ moralischen Druck auf schwangere Frauen auszuüben und gesellschaftliche Empörung zu schüren. Die angebliche Zahl von 1000 ‚ermordeten‘ Embryonen entbehrt jeder statistischen Grundlage und ist frei erfunden.
Jeder Mensch muss das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper haben! Trotzdem sind Schwangerschaftsabbrüche in der BRD nach wie vor nicht legal, sondern werden nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Zwangsberatung, medizinische Indikation) nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Deshalb bleibt die Forderung nach einem uneingeschränkten Recht auf Abtreibung, ohne Zwangsberatung und ohne Bevormundung bestehen!

Homophobie, Sexismus und ein reaktionäres Frauenbild
Neben dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch bekämpfen fundamentalistische Christ_innen aller Konfessionen Homosexualität und jede andere Formen sexueller Selbstbestimmung. Homosexualität wird als Krankheit, Sünde oder Perversion bezeichnet und gilt größtenteils als ‚heilbar‘. Dazu gesellt sich ein ‚von Gott gegebenes‘ Geschlechterrollenbild, welches eine Veränderung der traditionellen Rollenverteilung oder den Gedanken an die soziale Konstruktion von Geschlecht überhaupt nicht zulässt.
Auf ihrer Homepage schreibt Euro pro Life, eine der Organisationen, die zum 1000 Kreuze Marsch aufrufen: „Kinder sterben, die geliebt werden möchten, die leben wollen, die einen Platz in unserer Gesellschaft brauchen, die dem Leben ihrer Eltern Sinn geben würden.“ Die Vorstellung von Ehe und Familie als Zentrum christlicher Werte und der ‚göttliche Auftrag der Vermehrung‘ entstammen ihrer Bibelauslegung und dem Absolutheitsanspruch des eigenen Glaubens. In dem daraus resultierendem Weltbild wird jede Abweichung von der christlichen Norm als Sünde begriffen und ‚Sündern‘ die Existenzberechtigung abgesprochen. So sagte beispielsweise der Erzbischof von Granada, Javier Martinez, in seiner Weihnachtspredigt 2011, dass eine Frau die abtreibt „einem Mann ohne Einschränkungen die absolute Lizenz zum Missbrauch ihres Körpers gibt, denn sie hat Schuld auf sich geladen“.
Diese patriarchale, sexistische und autoritäre Vorstellung von Familie, Sexualität oder dem Sinn des Lebens widerspricht einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensweise, die die sexuelle Selbstbestimmung ebenso beinhaltet, wie eine bedürfnis- und lebenssituationsorientierte Antwort auf die Frage nach Schwangerschaft oder Elternschaft.

Rassismus und Relativierung des Holocaust
Homosexualität und Schwangerschaftsabbruch, so die Abtreibungsgegner_innen, würden zudem zum Aussterben des „europäischen Volkes“ führen. Diese ultrakonservative Anschauung, die sich die Reproduktion der eigenen „Rasse“ zur Aufgabe macht, offenbart rassistische Denkmuster und erklärt, warum sich auch in Münster jedes Jahr Neonazis dem Aufzug dieser Christ_innen anschließen. Da überrascht es kaum noch, dass die „Lebensschützer“ in Anlehnung an den Begriff Holocaust vom „‚Babycaust“‘ sprechen und damit den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus relativieren. Der Erfinder des Begriffes „Babycaust“, Klaus-Günther Annen, – der auch für die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit schreibt – war beim 1000Kreuze Marsch 2009 anwesend. Die Übergänge zwischen Abtreibungsgegner_innen und Neonazis sind inhaltlich und personell fließend.

…aus der Mitte der Gesellschaft
An vielen Punkten, an denen die fundamentalistischen Christ_innen anderen Menschen die Selbstbestimmung und sogar die Existenzberechtigung absprechen, treffen sich diese inhaltlich mit dem rechts-konservativen Mainstream der sogenannten Mitte der Gesellschaft. So kann mittlerweile ein Bundespräsident ohne Probleme auf Tagungen evangelikaler Fundamentalist_innen auftreten und auf großen Jugendevents werden Workshops zur Heilung von Homosexualität angeboten. Das Problem ist nicht eine kleine Splittergruppe, die Holzkreuzetragend durch Münster oder andere Städte zieht. Das Problem ist, dass diese Gruppen missionarisch ihre Inhalte verbreiten und gezielt versuchen, z.B. über Veranstaltungen und Medienpräsenz wichtige gesellschaftlicher Positionen zu besetzen und Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen.

Widerstand lässt sich nicht verbieten
Die Polizeistrategie der letzten Jahre bestand darin, die Gegenaktivist_innen einzukesseln und den Kreuzemarsch anschließend durchzusetzen. Auch deswegen ist es wichtig, den Protest gegen diese christlichen Fundamentalist_innen an viele Orte der Stadt zu tragen und auf ganzer Strecke zu verhindern, dass sie ihre reaktionären und menschenverachtenden Inhalte ungestört verbreiten können. Auch wenn die Staatsanwaltschaft Münster mit ihrer Konstruktion der Versammlungssprengung versucht jeglichen Protest zu verhindern: Widerstand ist notwendig und legitim! Der Kampf um das Recht auf Abtreibung ist international, er wird in Deutschland bereits seit über 100 Jahren geführt und ist auch weiterhin unverzichtbar.

Für die Abschaffung des §218 und die vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen! My body, my choice – für ein herrschaftsfreies und selbstbestimmtes Leben!
Am 10.März in Münster fundamentalistische Christ_innen abschirmen!

Alle Infos findet ihr hier ->