“Noch ein grauer Wolf in CDU” titelte am Donnerstag der Westfälische Anzeiger, Recherchen hätten ergeben, dass das lokale CDU-Mitglied Turan Sengül Mitglied jener Gruppierung türkischer Nationalisten sei. Der 42-jährige Vorsitzende des türkischen Kulturvereins bestätigte die Information mit den Worten: “Ja, ich bin CDU-Mitglied. Und ja, ich bin Grauer Wolf, ich bin Idealist”.
Eher Regel als Ausnahme?
Damit ist nach Zafer Topak bereits das zweite Hammer CDU-Mitglied als Teil der “Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealisten-Vereine in Deutschland” geoutet worden. Dieser Verein ist eine in Deutschland ansässige Unterorganisation der ultranationalistischen türkischen Partei MHP. Nachdem im September bekannt wurde, dass die CDU Hamm ein Ausschlussverfahren gegen Zafer Topak eingeleitet hatte, nachdem dieser sich öffentlich als “Grauer Wolf” bekannte, erklärte selbiger, dass in Hamm ca. 40 der “Bozkurtlar”, so die türkische Bezeichnung, in der CDU aktiv seien. Überprüft haben das die lokalen Christdemokraten nicht, “es gelte zunächst die Unschuldsvermutung“. Nur bei konkreten Anhaltspunkten würde man aktiv werden”. Warum die Aussage eines Faschisten, in der Partei befänden sich drei Dutzend weitere Mitglieder “seiner” Organisation keinen konkreten Verdacht darstellt, bleibt äußerst rätselhaft. Auch die Tatsache, dass mit dem „Ülkü Ocagi“ bereits eine Lokalität in Hamm existiert, ruft nur ein imaginäres Schulterzucken hervor. Auf Bildern der Facebookseite selbigen Vereins, sind nicht nur Turan Sengül, sondern auch ca. 50 andere Menschen zu sehen, die zusammen den „Wolfsgruß“ performen (unter Grundschüler*innen als Schweigefuchs bekannt). Dieses Erkennungszeichen dürfte eigentlich Beweis genug sein. Frei nach dem Motto “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß” betreibt die lokale CDU das gleiche Spiel, mit dem sie bereits versucht hat die Existenz der lokalen Szene von (deutschen) Neonazis unter den Tisch zu kehren. Dass jetzt, nach 10 Jahren dieser Politik, das Teilergebnis selbiger ein Mitglied der Partei “die Rechte” im Stadtrat ist, scheint bei den Konservativen keinen Denkanstoß ausgelöst zu haben. “Jahrelang hätten die Stadtverwaltung und die CDU den Dialog mit Vertretern und Sympathisanten dieser Organisation geführt und tun dies immernoch”, schrieb Topak an den Westfälischen Anzeiger. Die Aussage des Hammer CDU-Kreisgeschäftsführers Werner Thies, eine Mitgliedschaft i n beiden Organisationen schließe sich aus, mag da nicht so recht ins Bild passen. Das scheint aber nicht nur auf lokaler Ebene ein Problem zu sein: Im Juni 2009 trat Ali Yildiz, Vorstandsmitglied des Deutsch Türkischen Forums (DTF), einer Unterorganisation der CDU, von seinem Amt zurück, weil sich das DTF nicht klar genug von den „Grauen Wölfen“ distanziere. Er erklärte: „Es kann nicht sein, dass wir uns auf der einen Seite gegen Pro Köln zusammenschließen und auf der anderen Seite die türkische NPD über die CDU Köln hofieren.“
Hintergrund
Die “Idealisten”, wie sich die Grauen Wölfe selber bezeichnen, folgen einer türkisch-nationalistischen Ideologie, die von völkischen Mythen, Führerkult, Großreichsträumereien und jeder Menge klar definierter Feindbilder nur so wimmelt. Allein in der Türkei selbst verübten die “Bozkurtlar” laut türkischen Behörden allein in den 70er Jahren ca. 700 Morde, unterstützten als Paramilitärs der MHP die Militäroffensiven der türkischen Regierung gegen die PKK, initiierten mehrere Pogrome, bei denen hunderte türkische Aleviten ihr Leben verloren und führten mehrere gezielte Mordanschläge aus, unter anderem auf den Chefredakteur der Zeitung “milliyet”, der sich Mitte der 80er-Jahre für Frieden mit Griechenland einsetzte. Dass dies nicht nur dunkle Vergangenheit, sondern auch traurige Realität heutzutage ist, bestätigt eine der jüngsten Gewalttaten der Bozkurtlar, die nicht einmal ein halbes Jahr her ist: die Ermordung eines Menschen aufgrund seiner kurdischen Herkunft. Ein weiteres Beispiel für die faschistische Vorgehensweise der selbstbetitelten „Idealisten“, ist die Ermordung Harnt Dinks 2007 in Istanbul. Dink war Herausgeber einer sozialkritischen Zeitung, die sich unter anderen mit dem Völkermord an den Armeniern beschäftigte, und wurde mehrfach von der türkischen Justiz verfolgt. Die “Ideale”, hinter denen die Nationalisten stehen, sind genauso ekelhaft und Ablehnens wert wie die ihrer deutschen Kolleg*innen. Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und andere Inhalte faschistischer Ideologie produzieren Feindbilder die in den Augen der Mitglieder Morde nicht nur rechtfertigen, sondern sogar noch glorifizieren.
Und nun?
Das bischen Sensibilisierung, das in Deutschland für die Inhalte deutscher Nazis existiert, reicht schon bei weitem nicht aus. Sensibilsierung für die Inhalte und Strukturen der Grauen Wölfe ist quasi non-existent. Auch der gravierende Mangel an Achtsamkeit in der Mehrheitsgesellschaft zeigt, dass antifaschistische Arbeit sich in Zukunft mehr mit dieser Thematik auseinandersetzen muss. Weiterhin gilt es das Denken, in Deutschland gäbe es nur „deutsche“ Nazis, zu bekämpfen. Gleichzeitig appellieren wir auch an die Stadt Hamm: Der gleiche Fehler der bei der Kameradschaft Hamm begangen wurde, darf nicht wiederholt werden!