Offener Brief: Jürgen Milski bei „Tünner Party Nacht“

Der folgende, offene Brief wurde an die Veranstaltenden selbst sowie an Hammer Parteien und Medienvertreter*innen verschickt.

„Sehr geehrte Veranstaltende,

am 16. April findet die von Ihnen organisierte „Tünner Party Nacht“ statt. Ein Act des Abends soll der Schlagersänger Jürgen Milski sein. Dieser fiel Ende Oktober 2015 durch einen Facebook-Post auf, der auch mediale Aufmerksamkeit bekam:

ICH KÖNNTE GRADE KOTZEN !! WENN ICH IN KÖLN BIN FAHRE ICH FAßT JEDEN TAG AM RHEIN ENTLANG ZUM SPORT..SEIT VIELEN MONATEN BEOBACHTE ICH WIE MENSCHEN DIE HIER BEI UNS IN DEUTSCHLAND GASTRECHT GENIEßEN WIE SIE UNTER DER HOHENZOLLERNBRÜCKE DROGEN VERKAUFEN..!!!! (DARÜBER BERICHTETE ÜBRIGENS AUCH SCHONMAL EINE KÖLNER TAGESZEITUNG) WAS WIRD DAGEGEN UNTERNOMMEN?? ICH KANN ES EUCH SAGEN…NICHTS!!!DIESES DEALER PACK BEZIEHT SOZIALHILFE VON UNSERN STEUERGELDERN UND VERKAUFT AN UNSERE KINDER DROGEN!!! WAS WOLLEN WIR UNS EIGENTLICH NOCH ALLES GEFALLEN LASSEN??? GEMEINSAM SIND WIR STARK..!! FAHRT HIN..SCHAUT ES EUCH AN UND SCHREIBT MIR WAS IHR DAVON HALTET!! UND NUN KÖNNEN MICH DIESE VERBLÖDETEN
GUTMENSCHEN MICH WIEDER ALS NAZI BETITELN!! MEINE VIELEN AUSLÄNDISCHEN FREUNDE Türken,Albaner,Italiener,iraner,Kroaten,Bosnier,Slowenen..usw.) UND ICH LACHEN SICH DARÜBER KAPUTT!!!”
(sic!)

In diesem Post regt sich Milski über vermeintliche Drogendealer auf, die unter der Kölner Hohenzollernbrücke Drogen verkaufen würden. Die “Dealer” beschreibt er als “Menschen die hier bei uns in Deutschland Gastrecht genießen”, also “Nicht-Deutsche”.
Wie er zu der Annahme kommt, dass diese Menschen keine “Deutschen” seien, erwähnt er nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass ihm ein bestimmtes Aussehen ausreicht um die Personen in diese Kategorie einzuordnen. Diese weit verbreitete Kategorisierung von Menschen anhand ihres äußeren Erscheinungsbilds und eine damit einhergehende, vermeintliche Staatszugehörigkeit, sind höchst problematisch. Sie sorgen für eine Ungleichbehandlung von Menschen, sowohl im täglichen Miteinander (“Wo kommst du denn her? Nein, ich meine bevor du hier in Deutschland warst!”), als auch strukturell (beispielsweise “Racial Profiling”, eine Ausweiskontrolle und Unterstellung der Illegalität seitens der Polizei aufgrund der äußeren Erscheinung).
Die Behauptung, die “Dealer” bezögen “Sozialhilfe von unsern Steuergeldern” soll wohl, wie bereits die Gegenüberstellung von dem Deutschen Milski und den nicht deutschen “Drogendealern”, ein “Wir”-Gefühl, in Abgrenzung zu “den Anderen” erzeugen. Je nachdem ob er denkt, es mit “herkömmlich eingereisten” Migrant*innen oder mit Asylsuchenden (was angesichts der allgemeinen, massiven Stimmungsmache gegen Letztere nicht unwahrscheinlich ist), wäre diese Behauptung nebenbei sachlich falsch – Asylsuchende können keine Sozialhilfe beziehen, sondern erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Eine ähnliche Wirkung soll vermutlich auch durch die Aussage erreicht werden, die “Dealer” würden “an unsere Kinder Drogen” verkaufen, wobei es mehr als fraglich ist, ob dort tatsächlich Kinder Drogen kaufen. Nebenbei werden die “Dealer” noch als “Pack” bezeichnet. Über die sozialen Nöte, die manche Menschen zu illegalen Handlungen treiben, denkt Milski nicht im Ansatz nach; unabhängig von deren Background werden sie herabgewürdigt.
Was dann folgt, liest sich wie ein klassischer Aufruf von PEGIDA und Co.. Die Forderung, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen und selbst an besagte Stelle zu fahren, könnte auch als Aufforderung verstanden werden, die Sache selbst zu regeln und somit Selbstjustiz zu üben. Wie solche Aufrufe enden können zeigen zahlreiche Anschläge auf Menschen oder Flüchtlingsheime. „Gemeinsam sind wir stark“ lautet übrigens auch der Titel der Pegida-Hymne.
Zum Schluss seines Textes richtet er sich noch an die “verblödeten Gutmenschen”, von denen er schon vermutet, dass sie ihn aufgrund seines Textes als Nazi betiteln würden. Auch der Begriff “Gutmensch” wird vor allem von politisch rechten Personen benutzt und diffamiert Menschen, die sich sozial engagieren. Im Zusammenhang mit der Zunahme der Flüchtlingszahlen wurde der Begriff auch zum Unwort des Jahres 2015 gewählt.
Als Beweis für seine fehlende rassistische Gesinnung, führt Milski seine “vielen ausländischen Freunde” an. Milski gibt sich hier dem Trugschluss hin, dass Menschen mit persönlichen (positiven) Beziehungen zu Zugehörigen einer Minderheitsgruppe, selbige unmöglich diskriminierend behandeln können. Meist werden jedoch die eigenen Freunde erhöht und als positives Beispiel, im Gegensatz zu anderen, vermeintlichen Gruppenzugehörigen, positioniert. Türken sind dann beispielsweise “alles Schmarotzer”, nur der gute Freund X “ist für nen Türken echt okay”. Ausländer sind eben nur okay, wenn sie auch die selben Werte teilen, fleißig ackern und sich unauffällig verhalten.
Selbstverständlich ist bereits diese Kategorisierung in Deutsche und Nicht-Deutsche problematisch.
Ähnliches dachte sich damals scheinbar auch die Huffington Post.

Aufgrund der zahlreichen Rechtschreibfehler und der fast durchgängingen Nutzung von Großbuchstaben, ließe sich vermuten, Milski habe im Affekt gehandelt.
Ein weiterer Post einen Tag später zeigt aber, dass Milski seinen Text tatsächlich so meint wie er ihn geschrieben hat: Er postete ein Bild von einem Löwen mit den Worten “Einen Löwen interessiert es nicht, was Schafe über ihn denken”, was nebenbei von einer ziemlich überheblichen Einstellung zeugt.
Einen weiteren Tag später bezeichnete er die Kritiker*innen seines Textes in einem weiteren Post als “Geisteskranke” – ein Beweis dafür, dass Milski wohl nicht viel von Meinungsfreiheit hält und hinter dem steht, was er zwei Tage zuvor schrieb.

Aufgrund des von Milski verfassten Textes, der zutiefst pauschalisierend und beleidigend ist, und der dahinter stehenden, menschenverachtenden Einstellung, ist es für uns als Antifaschistische Aktion Hamm nicht hinnehmbar, dass dieser Person eine Bühne gegeben wird.
Wir hoffen, dass auch Sie unsere Einwände verstehen und appellieren hiermit an Sie, sich von Jürgen Milski zu distanzieren und ihn nicht auf der „Tünner Party Nacht“ auftreten zu lassen. Sicherlich lassen sich andere, weniger problematische Acts finden, die Jürgen Milski ersetzen könnten.

Mit freundlichen Grüßen
Antifaschistische Aktion Hamm“