Nachdem in den letzten Tagen das für den 01.Oktober geplante Rechtsrock-Konzert in Hamm große Medienaufmerksamkeit erfahren hat, fand es nun tatsächlich statt. Mit einer entscheidenen Änderung: Genutzt wurden die Räumlichkeiten des Schützenvereins Berge-Weetfeld-Freiske. Hier hatten die Faschist*innen bereits vor drei Jahren ihr Parteijubiläum gefeiert. Ob die Hammer Nazis die Räumlichkeiten bereits im Vorfeld anmieteten oder sie aufgrund unserer Veröffentlichung den Ort kurzfristig wechselten, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht mit Sicherheit sagen. Wir erwarten vom Schützenverein Berge-Weetfeld-Freiske eine Stellungnahme zu der Vermietung. Statt den geplanten Auftritten mehrerer Bands wurde möglicherweise zu einem Oidoxie-Solo-Auftritt umdisponiert, jedenfalls konnte die Polizei nach ihrem Eintreffen gegen 24 Uhr nur eines der Bandmitglieder identifizieren. Ob die restlichen Bands vorab spielten, oder ihre Auftritte komplett ausfielen, lässt sich für uns nicht sagen.
Die Entwicklungen der letzten Tage und insbesondere der Umgang von Seiten der Stadt, dem OB und der Polizei mit der Veranstaltung haben bei uns einige Unklarheiten aufgeworfen:
Laut einer Pressesprecherin der Polizei Dortmund lagen für die ursprünglich geplante Veranstaltung keine konkreten Hinweise auf Straftaten oder eine Gefährdungslage vor. Dem möchten wir entschieden widersprechen und dabei erneut auf die eingeladenen Bands und deren politisches Umfeld verweisen:
Als prominentestes Beispiel ist „Oidoxie“ seit Jahrzehnten im Umfeld neonazistischer Organisationen wie „Combat 18“, dem militanten Arm des in Deutschland mittlerweile verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerks, aktiv. Aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zum Rechtsterrorismus und den Verstrickungen von „Blood & Honour“ Mitgliedern im NSU, stellt sich für uns die Frage, inwiefern bei diesem Klientel nicht von einer grundsätzlichen Gefährdungslage im direkten Umfeld des Kentroper Wegs ausgegangen werden kann.
In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach aus den Räumlichkeiten der Nazis heraus zu Übergriffen gegenüber vermeintlichen Minderheiten oder Linken – besonders dann, wenn sich größere Gruppen, vermutlich alkoholisiert, in den Räumen aufhielten. Diese Situation ist für die meisten Abendveranstaltungen dort zu erwarten. Insofern ist auch das Argument, bei dem Konzert handele es sich um eine private Veranstaltung, hinfällig. Ob Neonazis im Rahmen eines offiziellen Rechtsrock-Konzertes oder einer privaten Geburtstagsfeier andere Menschen angreifen, ist für die Betroffenen dieser Gewalt unerheblich.
Weiterhin mussten sich Oidoxie-Mitglieder im Jahr 2007 wegen volksverhetzenden Texten vor dem Dortmunder Landgericht verantworten. Auch die anderen eingeladenen Bands fallen in ihren Texten durch einen positiven Bezug zu Nationalsozialismus und Shoah auf. Ob die Bands nun aufgetreten sind oder nicht, spielt für diese Bewertung keine Rolle. Warum die Polizei dennoch davon ausgeht, dass bei derartigen Veranstaltung keine Straftaten – wie etwa Volksverhetzung – begangen werden, bleibt uns unergründlich.
Auch der Oberbürgermeister der Stadt Hamm wirkte im Interview mit dem WDR, entgegen seiner Ankündigung im Rahmen der Vorstellung des Handlungskonzepts, nicht entschlossener als sonst im Umgang mit Nazis. Den gezielten Nachfragen des Moderators nach konkreten Handlungsansätzen um das Konzert zu verhindern wich er mit eher fadenscheinigen Gründen aus: Seine Aussage, dass keine der für das Konzert angekündigten Bands auf dem Index stände, ist zwar korrekt – allerdings ist das zweite Album „Schwarze Zukunft“ der Band Oidoxie von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert worden. Ob Titel dieses Albums bei einer solchen Veranstaltung gespielt werden, könnte ja zumindest überprüft werden und böte insofern einen Ansatz zur Intervention.
Weiterhin wischte er die Frage des Moderators nach unserem Vorschlag der Überprüfung von baurechtlichen und Brandschutz technischen Bestimmungen am Veranstaltungsort beiseite, und antwortete lediglich, es würden alle rechtlichen Möglichkeiten geprüft. Dass OB Hunsteger-Petermann das Konzept überhaupt gründlich gelesen hat, darf indes bezweifelt werden: Auf die Frage nach den konkreten Möglichkeiten gegen “Rechtsextremismus” vorzugehen, entgegnete er, man würde sich insbesondere auch mit “Linksextremismus” und “Rechtsextremismus (…) in religiösen Szenen” auseinandersetzen. Religiöser Radikalismus kommt im Konzept allenfalls als Randnotiz, “Linksextremismus” gar nicht vor. Warum das Handlungskonzept am Samstag noch nicht zum tragen käme, konnte er ebenfalls nicht hinreichend beantworten. Im Handlungskonzept heißt es wörtlich:
„Den Versuchen, Veranstaltungsorte und Veranstaltungen für rechte Propaganda in Hamm zu finden, muss rechtlich und mit Formen des gewaltlosen und zivilen Widerstandes begegnet werden.“
Neonazis in Hamm brauchen diese Räumlichkeiten überhaupt nicht finden – sie haben dauerhaft welche angemietet! Darüber hinaus scheint es für die Hammer Neonazis kein Problem zu sein, auch weitere Veranstaltungsräume anzumieten. Ein Handlungskonzept gegen die extreme Rechte begrüßen wir ausdrücklich – es bleibt aber in weiten Teilen bedeutungslos, wenn Stadt und Oberbürgermeister weiterhin bei ihrer Politik der Lippenbekenntnisse und Phrasendrescherei bleiben. Wenn Privatpersonen (besonders solche mit CDU-Parteibuch und Stadtratsmandat, wie der Vorsitzende des Schützenvereins) darüber hinaus die Tore für die Rechte Szene öffnen, wird ein effektives Vorgehen gegen diese massiv erschwert. Daher fordern wir an dieser Stelle erneut von allen Akteur*innen mit rechtlicher Handhabe: Handeln sie und handeln sie entschlossen! Die durch das langjährige Wegsehen der Stadt Hamm entstandenen Probleme mit der lokalen Neonazi-Szene müssen endlich angegangen werden. Das funktioniert aber nicht mit halbherzigen Versprechungen.