(Hammer) Neonazis und die HSpVg die Zweite

(Neonazis zeigen Reichskriegsflaggen, bepöbeln die Heimfans und grölen Parolen)

Vergangenen Sonntag pöbelten erneut militante Neonazis aus dem Fanblock der Hammer Spielvereinigung (HSpVg) gegen gegnerische Fans und bezeichneten diese u.a. als “scheiß Juden”. Zu dem Auswärtsspiel gegen Oberliga-Konkurrenten SV Lippstadt erschienen neben zahlreichen Rechtsradikalen aus Hamm auch hochrangige Kader der Partei “Die Rechte”. So reisten der Vorsitzende des Kreisverbandes Hamm, Sascha Krolzig, sowie der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende Michael Brück gemeinsam mit den anderen Fußballfans der HSpVg an. Während des Spiels skandierten ungefähr 35 Neonazis rechte Parolen wie “Hurra, Hurra, die Nazis sind da” oder “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen” und zeigten den Hitlergruß. Sie hielten außerdem mitgebrachte Reichskriegsflaggen hoch und versuchten die Lippstadt Fans körperlich zu attackieren. Die Reaktion der HSpVg? Das Problem relativieren und kleinreden!

Die Verantwortlichen

“Ich bin sicher, dass wir alles Menschenmögliche getan haben, und im Vorfeld noch tun werden, dass nichts passieren wird“, hatte Fußball-Abteilungsleiter Dirk Blumenkemper vor der Partie gegen Lippstadt selbstbewusst verkündet. 1 Beim letzten Aufeinandertreffen der beiden Vereine am 19. Februar 2017 zündeten Neonazis Pyro-Technik, stürmten den Platz und riefen rechtsradikale Parolen wie „Jude Jude Lippstadt“ oder „frei, sozial und national“. Dass sich solche Szenen wiederholen, wollten Verantwortliche beider Vereine unbedingt verhindern. Blumenkemper zeigte sich zuversichtlich: Der Verein habe Informationen vorliegen, dass “diejenigen, die unsere Bühne genutzt und benutzt haben, nicht im Bus sein werden”.
Wie naiv diese Einschätzung war, verdeutlichen die Ereignisse vom vergangenen Sonntag: Wieder reisten gewaltbereite Neonazis gemeinsam mit den anderen Fans der HSpVg an. Es spricht sogar einiges dafür, dass eben diese Neonazis maßgeblich an der Organisation der Fahrt beteiligt waren. Da die HSpVg, die am Sonntag keinen eigenen Fan-Bus stellte, warb sie auf ihrer Homepage und auf Facebook auch noch treudoof für die Anreise. 2,3 Sechs Funktionsträger, darunter Abteilungsleiter Dirk Blumenkemper, Pressesprecher Ulli Gruszka und Marketingleiter Benjamin Doll, reisten sogar mit dem Bus an. Freilich ohne einzuschreiten. Man sei nicht zu der Busfahrt angetreten, um Ermittlungen anzustellen, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. 4

Los Gamberros Hamm

Den Bus für das Spiel charterte die im August neu gegründete Fan-Gruppe „Los Gamberros Hamm“ (dt. Die Rowdys/Hooligans). Zu dieser Gruppe gehört beispielsweise der Hammer Neonazi Steven Nüsken. Es steht zu befürchten, dass sich wieder einmal eine Neonazi Fan-Gruppe gegründet hat, wie zuletzt 2003 die „Supporters Hamm“. Dafür spricht, dass die Likes für Beiträge oder Fotos auf der “Los Gamberros Hamm”-Facebook-Seite vornehmlich von Neonazis aus Hamm oder Dortmund stammen. Die Seite existiert seit dem 19. August diesen Jahres. Kurz danach tauchten im Stadtgebiet überall “Los Gamberros”-Sticker auf; teilweise wurden damit antirassistische Aufkleber überklebt. Am 27. August wurde auf der Facebook-Seite außerdem ein Bild von einem in der EVORA-Arena aufgehängten Banner veröffentlicht. Das Banner trug die Aufschrift, „Droste du Lügner WA, nein Danke“. 5 Patrick Droste ist Journalist und berichtete im Westfälischen Anzeiger kritisch über die Ausschreitungen rechtsradikaler HSpVg-Fans beim Spiel gegen den SV Lippstadt im Februar. 6 Mit dem Banner stellen sich die “Los Gamberros Hamm” eindeutig auf die Seite der Neonazis.

Das Old Lion

Auch der Treffpunkt, das Old Lion in Hamm von Helmut Schwabe, stützt die Theorie, dass es sich bei den “Los Gamberros” um eine Neonazi-Fangruppe handelt. Am Wochenende feiern dort regelmäßig Mitglieder der Hammer Szene. Vor dem Spiel gegen Rot Weiss Ahlen am 20. August trafen sich Neonazi-Fans der HSpVg im Old Lion, um vorzutrinken und anschließend gemeinsam per Planwagen nach Ahlen zu fahren. 7 Mit von der Partie war beispielsweise Martin Böhne. Der Hammer Neonazi tritt mit verschiedenen Rechtsrock-Gruppen regelmäßig im In- und Ausland auf und ist innerhalb der Szene exzellent vernetzt. Böhne gehört zu den Fans, die im Februar in Lippstadt den Platz gestürmt hatten. 6 Für die Anreise und den Treffpunkt am Sonntag warb das Old Lion mit einem Plakat im Schaufenster. Nach dem Spiel setzte der Bus die Fans wieder am Old Lion ab. Dort ließen die Neonazis ihren Abend ungestört ausklingen, tranken weiter Bier, posierten mit ihren Reichskriegsfahnen und brüllten Neonazi-Parolen wie “Lippstadt Jude, Jude Jude”.

Das Spiel

Am Sonntag wurde ab 10 Uhr im Old Lion vorgeglüht, während man auf den Bus wartete. Gegen 13:40 setzte sich der Bus mit ca. 50 Personen, darunter bis zu 15 organisierte Neonazis, in Bewegung. Weitere 20 Fans aus der rechten Szene wurden bei einem Zwischenstopp in Dolberg eingesammelt. Das belegt wieder einmal, dass Neonazis aus Hamm in der Fan-Szene wichtige Positionen besetzen und die Anreise so koordinieren, dass ihre Kameraden von auswärts entspannt zusteigen können. Kurz vor Anpfiff erreichte die braune Reisegruppe das Stadion “Am Bruchbaum”. Die Spieler der HSpVg begrüßten die mit Neonazis durchsetzte Fangruppe auch noch. Während des Spiels riefen die Neonazis rechte Parolen wie „Ein Hammer ein Stein ins Arbeitslager rein“, „Antifa Hurensöhne“ oder „Wir kriegen euch alle“ und zeigten drei Reichskriegsfahnen. Einige von ihnen versuchten vergeblich über den Zaun der Anlage zu klettern, um die Lippstadt-Fans anzugreifen.

Hammer Fußballfans

Die restlichen Hammer Fußballfans distanzierten sich nicht von den Neonazis, wie es in der Stellungnahme der HSpVg heißt. 4 Sie stellten sich auch nicht absichtlich auf die andere Seite des Gästeblocks, wie Herr Gruszka im WA-Artikel vom 16. Oktober fälschlicherweise behauptet. 8 Als sich die Neonazis aus dem HSpVg Fanblock in Richtung Lippstadt Fans bewegten, schauten die vermeintlich “redlichen” Fans entweder tatenlos zu oder beteiligten sich an den Pöbeleien gegen die gegnerischen Fans. Sobald sich die Situation wieder beruhigt hatte, standen die HSpVg-Fans im Gästeblock wieder geschlossen zusammen. “Redliche” Fans Schulter an Schulter mit Neonazis. Protest gegen die Präsenz der Rechtsradikalen, deren Reichskriegsflaggen und Parolen gab es seitens der Hammer Fans keinen. Bei den rechten Fans handelt es sich auch keineswegs um Unbekannte, wie die HSpVg uns in ihrer Stellungnahme glauben machen will. Neben Michael Brück und Sascha Krolzig waren weitere bekannte Neonazi-Größen vertreten. Darunter der mehrfach verurteilte Matthias Drewer, der wie Krolzig aus Hamm stammt. Dessen Bruder Christoph Drewer war einer von mehreren Neonazis, die 2003 den HSpVg-Fanklub “Supporters Hamm” gründeten. Außerdem waren die Hammer Neonazis Björn Rimmert, Steven Nüsken und Daniel Meißler vor Ort. Diese schauen regelmäßig bei Spielen der HSpVg zu.

(Neonazi-Fans und „redliche“ Fans stehen zusammen)

Die Hammer Spielvereinigung

Dem PR-Mythos, bei den für die Ausschreitungen im Februar verantwortlichen Neonazis, handele es sich „vereinsfremde Chaoten“, wie auf der Homepage der Hammer Spielvereinigung behauptet, ist also entschieden zu widersprechen. 3 Bei jedem Spiel der HSpVg, egal ob Heim- oder Auswärtsspiel, stehen Neonazis im Hammer Fanblock. Zum Beispiel beim oben genannten Auswärtsspiel gegen Rot Weiss Ahlen, zu dem viele Hammer Kader-Neonazis fuhren. Die Anreise wurde über das Planwagen-Unternehmen des Neonazis Stefan Wendel organisiert. Oder beim Spiel des ASC09 gegen die HSpVg, wo unter anderem Michael Brück vor Ort war. Beim Spiel der TSG Sprockhövel feuerten die Hammer Neonazis Steven Nüsken und Martin Böhne die Hammer Spielvereinigung an. 9 Nicht bei jedem Spiel der HSpVg treten die Neonazis so zahlreich auf wie beim Spiel gegen Lippstadt vergangenen Sonntag. Nichtsdestotrotz sind Neonazis fester Bestandteil der Fanszene der HSpVg. Die Busfahrt am Sonntag zeigt, dass sie keinesfalls geächtet, sondern gut vernetzt sind und Aufgaben innerhalb der Fansgemeinschaft übenehmen. Statt diese offensichtliche Tatsache weiterhin zu leugnen und von einem “gesellschaftliche[n] Problem” zu schwafeln, mit dem man umzugehen lernen müsse, täte die HSpVg gut daran, endlich Verantwortung zu übernehmen, ihren Worten Taten folgen zu lassen und endlich entschlossen gegen Neonazis und deren Sympathisant*innen in den eigenen Reihen vorzugehen. 4

Fazit

Die Ereignisse am Sonntag bestätigen einmal mehr den Strategiewechsel der Hammer Neonazi-Szene. Während nur noch vereinzelt öffentliche Veranstaltungen wie Demonstrationen oder Infostände durchgeführt werden, etabliert und verfestigt die Szene eine rechte Erlebniswelt in Hamm: durch Konzerte, Schulungen und Kneipenabenden im Kentroper Weg 18, Sauftouren in der Hammer Innenstadt sowie dem Aufbau einer Neonazi-Fanszene der HSpVg. Für hiesige und auswärtige Neonazis, sowie deren Sympathisant*innen, ist Hamm längst ein beliebter Abenteuerspielplatz. Im Kentroper Weg können sie ihre menschenverachtende Ideologie frei ausleben. Mit dem Old Lion steht ihnen darüber hinaus eine Kneipe zur Verfügung, deren Wirt Helmut Schwabe ihnen wohlgesonnen ist und wo sie sich ebenfalls nicht verstellen müssen. Seit August bietet die Fan-Gruppe „Los Gamberros Hamm“ rechten Fans der HSpVg ein ideologisches Zuhause und lockt Neugierige. Damit eignet sie sich wunderbar, um die eigene Weltanschauung zu verbreiten. Zumindest so lange die HSpVg weiterhin die Augen vor den Neonazis in ihrer Fanszene verschließt und fortfährt, das Problem nach zig Vorfällen kleinzureden .

Handlungsvorschläge

Es ist höchste Zeit, dass die HSpVg endlich Konsequenzen zieht und Verantwortung übernimmt. Das bedeutet: Es müssen endlich Stadionverbote gegen bekannte Neonazis verhängt werden, die konsequent eingehalten werden. Die eigenen Mitglieder müssen für Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sensibilisiert werden, um Zivilcourage zu ermutigen. Und Fangruppen, die sich gegen Neonazis engagieren, muss der Rücken gestärkt werden. Wahr ist: Die HSpVg ist beileibe nicht der einzige Verein in Deutschland, der sich mit Neonazis in der eigenen Fanszene konfrontiert sieht. Aber es gibt Erfolgsgeschichten von Vereinen, die Neonazis erfolgreich aus ihren Stadien gedrängt haben. An diesen Erfolgsgeschichten kann man sich orientieren. Ein Verein, der das Problem als “gesamtgesellschaftlich” banalisiert und sich lieber an Neonazis gewöhnen möchte, statt proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, der muss sich allerdings nicht wundern, wenn die eigene Fanszene nach rechts rückt und immer mehr Neonazis zu den eigenen Spielen erscheinen. Es ist höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Neonazis die Fantribünen streitig zu machen.

Quellen:
1.) https://www.wa.de/sport/hamm/hammer-spvg-sonntag-beim-lippstadt-muss-ruhig-bleiben-8763863.html

2.) Hammer SpVG Facebook Beitrag mit der Telefonnummer

3.) http://www.hammerspvg.de/index.php/saison-27/erste-mannschaft/2268-hozjak-elf-will-die-bilanz-gegen-den-sv-lippstadt-verbessern

4.) https://www.wa.de/sport/hamm/fussball-oberligist-hammer-spvg-nimmt-stellung-vorfaellen-lippstadt-8780359.html

5.) Screenshot „Los Gamberros“ Banner

6.) https://www.wa.de/sport/hamm/antifa-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-hammer-spvg-7445008.html

7.) Martin Böhne und andere Neonazis am Old Lion 20.08.17

8.) WA-Artikel 16.10.17

9.) Martin Böhne Steven Nüsken TSG Sprockhövel