Nazis tanzen Stadt auf der Nase herum

In Hamm feierten vergangenen Samstag über hundert Neonazis ungestört im Vereinsheim des Schützenvereins Hamm-Süden. Hamm bleibt damit Nazi-Partyhochburg Nordrhein-Westfalens.

Ausgerechnet am offiziellen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus stieg in Hamm eine Neonazi-Feier mit über hundert Gästen. Es ist das zwölfte Neonazi-Konzert, das innerhalb der vergangenen zwei Jahre in Hamm stattfand. In keiner anderen Stadt Nordrhein-Westfalens veranstalten Neonazis so viele Konzerte. Die rechte Szene kann vor Ort problemlos Konzerte, Vorträge oder Schulungen organisieren – und die Stadt schaut tatenlos zu.

Die Stadt Hamm: Ausreden statt Handeln
“Es ist ein Dilemma”, vergoss ein Sprecher im Interview mit dem Westfälischen Anzeiger Krokodilstränen. 1 Die Stadt könne das Konzert nicht verhindern, sie habe keine Handhabe, da es sich um eine Privatveranstaltung handle. Auf Facebook warben Neonazis im Internet offen für die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass es eine Abendkasse geben und Eintritt genommen werde. “Wir fragen uns, was passieren muss, damit die Stadt endlich konsequent gegen die rechte Szene in Hamm vorgeht.”, sagte Michael Tillmann. Der Sprecher der aah-Hamm findet es schockierend, wie ungestört Neonazis in Hamm agieren können.

Der WA verharmlost Neonazis
Widerstand gegen das Konzert gab es lediglich seitens linker Gruppen: Gemeinsam mit dem Kreisverband Die Linke Hamm hielt das antifaschistische Jugendbündnis haekelclub590 die Kundgebung „Gegen Rechtsrock und NS-Verherrlichung am Shoah-Gedenktag“ in direkter Nähe der Neonazi-Räumlichkeiten im Kentroper Weg 18 ab. Dort wurden die knapp 120 Demonstrant*innen bereits von einer Gruppe Neonazis erwartet, die mit schwarz-weiß-roten Fahnen und Parolen “Frei, Sozial, National” und “Nie wieder Israel” provozierten. Die Nachbetrachtung des Westfälischen Anzeigers (WA) vom 29.01.2018 stellt diese verharmlosend als “Besucher einer Konzertveranstaltung” dar. 2

Antifaschist*innen erledigen die Arbeit der Lokalpresse
Dem WA, der bereits im Oktober vergangenen Jahres einen Rückzug der rechten Szene aus Hamm herbeiphantasierte 3, scheint ohnehin wenig daran gelegen, akkurat über Hammer Zustände zu berichten. So fand das Konzert nach Erkenntnissen antifaschistischer Recherchen, anders als im Artikel behauptet, nicht im Kentroper Weg statt, sondern wurde ins Vereinsheim des Schützenvereins Hamm-Süden 1888 e.V. verlegt. Im Publikum aus etwa 100 militanten Neonazis tummelten sich auch Szenegrößen wie der mehrfach verurteilte Matthias Drewer oder „Smart Violence“-Sänger Michael Brosch. Die Verantwortlichen hatten anscheinend keinerlei Probleme neue Räumlichkeiten anzumieten, nachdem bekannt wurde, dass es eine Gegenkundgebung geben würde.

Bands aus rechtsterroristischem Milieu spielen im Schützenheim
Mit Sturmwehr trat eine der ältesten und bekanntesten Rechtsrock-Bands Deutschlands in den Räumlichkeiten des Schützenvereins auf. Die seit 1993 bestehende Band vertritt antisemitisches sowie nationalsozialistisches Gedankengut. Die Köpfe hinter Sturmwehr, Jens Bruchseifer aus Gelsenkirchen und Martin Böhne aus Hamm, sind langjährige Neonazis und innerhalb der Szene gut vernetzt. So spielte Sturmwehr unter anderem auf dem Festival „Rock für Identität“ am 29. Juni 2017 in Themar. Außerdem war Sturmwehr für den „Day of Honour“ angekündigt – einer neonazistischen Veranstaltung, welche die „Schlacht um Budapest“ im Jahre 1944 verklärt. Organisiert wird das Konzert in Budapest von dem seit 2000 in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“ Netzwerk.

Schlager statt Gedenken und Widerstand
“Dass die Neonazis das Konzert nicht wie geplant im “Zuchthaus” im Kentroper Weg abhalten konnten, werten wir als Erfolg der Kundgebung des haekelclubs590″, sagte Tillmann. Es sei allerdings bezeichnend, dass am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts Neonazi-Bands mit Kontakten ins rechtsterorristische Milieu ungestört in Hamm spielen können, während nur wenige hundert Meter weiter, in den Zentralhallen, die neunte Hammer Schlagernacht stattfand.

“Wer das Gedenken an den Holocaust und die Shoah ernstnimmt, der darf solche Veranstaltungen nicht tolerieren”, sagte Tillmann. Die aah rufe daher die Stadt Hamm und ihre Bürger auf, neonazistische Propaganda- und Unterhaltungsveranstaltungen in Zukunft nicht länger zu dulden, sondern entschieden entgegenzutreten! Ein Verbot des sogenannten “Nationalen Zentrums” im Kentroper Weg sei ein erster Schritt, um der rechten Szene in Hamm Herr zu werden.

1.: WA Artikel Treffen der rechten Szene 20.01.18
2.: WA Artikel Keine Störungen bei Demonstration 29.01.18
3.: https://www.wa.de/hamm/krolzig-blaest-demo-rechte-szene-zieht-sich-hamm-zurueck-haekelclub-plant-kundgebung-oktober-8679340.html