Am 29. April 2017 findet im Kentroper Weg 18 ein Vortrag des bundesweit bekannten Neonazis Dieter Riefling statt. Anschließend ist ein Konzert des rechtsradikalen Liedermachers FreilichFrei geplant. Verantwortlich für Vortrag und Konzert im sogenannten „Nationalen Zentrum“ ist der aktive Hammer Neonazi Dennis De Piccoli, genannt Fetzo. (1)
Kentroper Weg als Szene-Treff
In den vergangenen zwei Jahren fanden bereits fünf Konzerte von Rechtsrock-Bands sowie etliche Vorträge von einschlägigen Neonazis im Kentroper Weg oder lokalen Schützenheimen statt.(2) Zuletzt fand im Kentroper Weg am 15. Januar 2017 ein Vortag des NPD-Politikers Olaf Rose, am 26. November 2016 im Schützenheim des Allgemeinen Schützenvereins 1927 Bockum-Hövel e.V. ein Rechtsrock-Konzert mit der Band Sturmwehr statt. Die kommende Veranstaltung zeigt erneut, dass sich in Hamm eine überregional bedeutende Location für Neonazi-Musik und Vorträge etabliert hat.
Die verstärkte Hinwendung zur Organisation von Rechtsrock-Konzerten ist bezeichnend für die Abkehr der Hammer Neonazi-Szene von parteipolitischer Arbeit und die Rückkehr zu internen und gruppenstärkenden Aktivitäten. Besuche von Fußball-Spielen der HSV, ideologische Vorträge und Rechtsrock-Konzerte bieten nicht nur Eventcharakter, sondern sind ein niedrigschwelliges Angebot für neue Mitglieder und sympathisierende Jugendliche. Darüber hinaus bessern die Neonazis mit Veranstaltungen im Kentroper Weg die eigene Kasse auf: So soll der Eintritt für den beworbenen Abend laut Flyer 10 Euro pro Person kosten.
Verbindungen zu „Blood & Honour“
Besorgniserregend sind die wiederkehrenden Anknüpfungspunkte an das rechtsterroristische und seit 2000 in Deutschland verbotene Netzwerk „Blood and Honour“ und deren rechtsterroristischen Arm „Combat 18“. Erklärtes Ziel der verbotenen Organisation war der Aufbau einer attraktiven Erlebniswelt zur Mitgliedergewinnung sowie die Bildung eines Netzes von terroristischen Kleinstgruppen. Der angekündigte Redner Dieter Riefling war bereits in den 1990er Jahren im Umfeld der Bewegung aktiv (3). Der Flyer der kommenden Veranstaltung wurde zudem auf der Homepage von Blood & Honour Ungarn veröffentlicht, inzwischen ist er allerdings wieder gelöscht worden. (4) Bereits vergangenen Oktober lud die Hammer Neonazi-Szene, wieder durch De Piccoli, zum Konzert der Blood and Honour-Band Oidoxie (5). Deren Gitarrist, Martin Böhne ist ebenfalls in der Hammer Neonazi-Szene aktiv und war bei der Kommunalwahl 2014 Kandidat für „Die Rechte“.
Dieter Riefling
Der im Juni 2016 aus der Haft entlassene Dieter Riefling wird laut Flyer über sein “Leben im Widerstand und Gesinnungsjustiz in der BRD” berichten. Der aus dem Kreis Recklinghausen stammende Riefling war bis 1995 als Funktionär der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) tätig und lieferte der deutschen Neonazi-Szene als Herausgeber der parteieigenen Zeitschrift das passende weltanschauliche Material. Nach dem Verbot der Partei gründete er die „Freie Kameradschaft Recklinghausen“, weswegen die Polizei gegen ihn wegen Fortführung der verbotenen FAP ermittelte. Riefling zog dann nach Niedersachsen und wurde ein wichtiger Führungskader der „Freien Kameradschaften“ und bei „Blood & Honour“.
Seine Verbindung zum „Blood&Honour“-Netzwerk zeigt, dass Riefling nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch international gut vernetzt ist. Im Laufe seiner jahrzehntelangen Aktivitäten für die neonazistische Szene wurde er mehrfach vorbestraft, u.a. wegen Körperverletzung, der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und das Fortführen der verbotenen FAP. Heute ist der 49-Jährige bundesweit als Redner gefragt und ist einer der Organisatoren der Neonazi-Kampagne „Tag der deutschen Zunkunft“.
FreilichFrei
Nach Rieflings Vortrag tritt Liedermacher Maik Krüger unter seinem Pseudonym FreilichFrei auf. Der Zwickauer covert Lieder bekannter Musiker der rechten Szene, wie etwa Frank Rennicke oder Sleipnir. 2015 durchsuchten Polizeibeamte des Operativen Abwehrzentrums die Wohnung des Neonazi-Musikers, ebenso wie neonazistische Musikverlage und -vertriebe, u.a. auch in Werne a.d. Lippe (6). Dem Liedermacher wurde vorgeworfen, den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in seinem Lied „Das Haus wird abgerissen“ verherrlicht zu haben. Dort nennt er den NSU „Vorbilder“ und „die Größten unserer Zunft“. Das Verfahren wurde eingestellt, da Krüger sich darauf berief, dass das Lied eine Satire darstelle. Er trat in den letzten Jahren in ganz Deutschland, zum Beispiel beim Aschermittwoch der NPD, auf und beschreibt seine Musik als „Musik für Heimattreue und den Rest“. (7)
NS-Heute
Im Rahmen der Veranstaltung wird die neue Zeitschrift „Nationaler Sozialismus Heute“ vorgestellt. Die „NS Heute“ ist eine seit März 2017 erscheinende Zeitschrift, die „ein ganzheitliches nationales und sozialistisches Weltbild“ vermitteln will. Das Neonazi-Organ soll nach eigenen Angaben zweimonatlich erscheinen und die „drei Themenbereiche Weltanschauung, Bewegung und Leben“ beleuchten. Der Fokus liegt darauf, „weltanschauliche Theorie, politische Praxis und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung in Einklang bringen“. Als Verantwortlicher im Sinne des Telemediengesetzes wird Sascha Krolzig genannt. Krolzig ist seit mehr als zehn Jahren in der neonazistischen Szene bekannt und tritt bundesweit als Redner auf. Er ist darüber hinaus auch wichtiger Ideengeber und Initiator unterschiedlicher Projekte und bundesweit bestens vernetzt. Zurzeit laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung gegen den 29-Jährigen: Bei einer Kneipenschlägerei in Dortmund soll der gebürtige Hammer einen anderen Gast rassistisch beleidigt und mit einem Bierglas angegriffen haben (8). In den letzten Monaten geriet Krolzig durch seinen gescheiterten Versuch, den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst zum zweiten Staatsexamen einzuklagen, in die Schlagzeilen. Er versuchte seit Beginn des Rechtsstreit 2015 unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten für sich zu entdecken, u.a. bot er seine Dienste als freier Trauerredner unter seinem zweiten Vornamen Marcel Krolzig an.
Nun präsentiert er sich öffentlich als Verantwortlicher für eine Zeitschrift, die ihren Namen unter anderem wie folgt begründet: „Natürlich ist auch der Begriff „Nationaler Sozialismus“ nur ein Kompromiss, den wir eingehen mussten, um dem System keine Handhabe zu bieten, seinen Repressionsapparat gegen unser neues Magazin in Gang zu setzen.“ Dies ist ein weiterer Beleg für seine verfassungsfeindliche Einstellung und nationalsozialistische Gesinnung.
Neonazi-Veranstaltung im Kentroper Weg unterbinden
Mit ihrer Veranstaltung am 29.4. wird “Die Rechte” Hamm also einmal mehr prominente und hervorragend vernetze Neonazis in Hamm empfangen. Zudem ist anzunehmen, das bei der Veranstaltung eine größere Zahl gewaltbereiter Neonazis anzutreffen sein wird. Wieder einmal dient der Kentroper Weg als Anlaufpunkt und Austauschs-Ort für Faschisten aus dem gesamten Bundesgebiet oder sogar darüber hinaus. Obwohl die Hammer-Szene öffentlichkeitswirksam, wie zum Beispiel durch Demonstrationen, weniger in Erscheinung tritt, bleibt Hamm mit Dortmund eine der Neonazi-Hochburgen in Nordrhein-Westfalen.
Nun stellt sich wieder einmal die Frage, ob die Stadt nach dem Beschluss ihres Konzeptes „Handlungskonzept gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ endlich reagiert. Möglichkeiten hierfür gibt es viele, ist doch davon auszugehen, dass die Konzertveranstaltungen nicht ordnungsrechtlich korrekt angemeldet sind. Liegt eine Genehmigung des Ordnungsamtes für derartige Konzertveranstaltungen vor? Werden baurechtliche und brandschutztechnische Bestimmungen eingehalten, die für ein Konzert vorausgesetzt werden? Ist der Ausschank von Bier genehmigt? In diesem Fall handelt es sich bei der Veranstaltung am 29. April nicht um eine Privatveranstaltung, da diese öffentlich beworben wird und ein Eintrittspreis verlangt wird. Die Stadtverwaltungsspitze muss ihr Ordnungs- und Rechtsamt anweisen, alle Möglichkeiten zur Unterbindung der Veranstaltungen im Kentroper Weg zu nutzen. Zudem muss die Stadtverwaltung endlich Druck auf den Vermieter ausüben, den Vertrag mit den Neonazis zu kündigen. Ein überregional bedeutendes Neonazi-Zentrum darf in Hamm nicht geduldet werden.
Quellen:
1.) https://aah.noblogs.org/flies/2017/04/Flyer-29.04.2017.jpg
2.) https://aah.noblogs.org/files/2017/01/Aktivit%C3%A4ten-2003-2016.pdf
3.) https://www.antifainfoblatt.de/artikel/von-%C2%BBblood-honour%C2%AB-zu-%C2%BBcombat-survival%C2%AB
4.) https://bhhdivision.blogspot.de/2017/02/rendezvenyek-2017aprilis.html (mittlerweile gelöscht), https://aah.noblogs.org/files/2017/07/Blood.pdf hier als Pdf auf Seite 10