+++Treffpunkt für Samstag, d. 06.10.2012, 10Uhr Willy-Brandt Platz, Vorplatz des Hauptbahnhofs Hamm(Westf.)+++Start der Demonstration gegen 11Uhr+++Im Anschluss gehts zur Veranstaltung des Hammer Appells+++
Kameradschaft Hamm verboten, Keine Zukunft der Vergangenheit
Am 23.08.2012 wurde die „Kameradschaft Hamm“ (KSH) und alle Nachfolgeorganisationen nach neunjährigem Bestehen durch das Landesministerium für Inneres und Kommunales verboten. Das Verbot kam überraschend, da es in Hamm noch nicht lange Konsens ist, dass in der Region eine starke Neonazi-Szene existiert. So war in Hamm seitens der Stadt und einem großen Teil der Lokalpolitik oft von einem „Rechten Wanderzirkus“ die Rede. Obwohl antifaschistische Gruppen seit Jahren auf die aktive Neonazi-Szene aufmerksam gemacht haben, wollten die Verantwortlichen in Stadt und Polizei die junge, aggressive und aufstrebende Kameradschaft nicht sehen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn bedacht wird, das alleine in den frühen Jahren der KSH (2003-2006) 11 Demonstrationen von Neonazis in Hamm geplant und durchgeführt wurden. Erst nachdem ein Neonazi mehrere Personen auf einem Stadtfest 2006 attackierte, reagierte die Stadt auf Eingreifen des Staatsschutzes in Dortmund und musste das Bestehen einer rechten Szene in Hamm bestätigen. Darüber hinaus gab es in den Jahren 2008-2012 rund 20 öffentlichkeitswirksame „Aktionen“ der Kameraschaft, die der Verwaltung, Polizei und auch der Stadt Hamm bekannt gewesen seien müssen. Hierzu zählen angemeldete Demonstrationen und Kundgebungen, sowie Sachbeschädigungen an Parteibüros. Ein angemessener Umgang mit der Kameradschaft Hamm blieb aber dennoch aus. Anstatt sich klar gegen Rechts zu positionieren wurde eine Resolution gegen politischen Extremismus von der Stadtverwaltung und den lokalen Parteien unterzeichnet.
Der Oberbürgermeister der Stadt Hamm rückt nun seine Rolle in der Vergangenheit zurecht und fordert in der Lokalpresse, dass „wir […] frühzeitig dazwischen gehen [müssen], damit sich das braune Gedankengut gar nicht erst ausbreitet.“ Dieses „braune Gedankengut“ hat sich über Jahre ausgebreitet und lässt sich nicht durch ein spätes Verbot stoppen. Die Mitglieder der Kameradschaft Hamm sind nicht verschwunden, sie leben in Hamm und werden wohl auch weiterhin , wenn auch strukturell geschwächt und unter Beobachtung, Menschen bedrohen und angreifen.
Die ersten Tendenzen zur erneuten Strukturierung sind schon zu erkennen. Teile der Führungsriegen des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“, sowie der Kameradschaftsführer der verbotenen „Kameradschaft Hamm“, Sascha Krolzig, sind in die Partei „die Rechte“ abgewandert und haben Führungspositionen für den Raum NRW übernommen.
Von Rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft
Nicht nur in extrem rechten Kreisen ist „braunes Gedankengut“ verbreitet. Viele der Forderungen der KSH finden sich auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft – oft mit anderen Argumenten vertreten, der ideologische Unterbau ist aber meist ähnlich. Sei es in der aktuellen Debatte um den EU-Rettungsschirm oder in den immer wiederkehrenden bundesweiten Protesten gegen den Bau von Moscheen. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus, Homophobie und andere diskriminierende Strukturen prägen unzählige gesellschaftliche Debatten.
Deutschland inszeniert sich immer wieder als ein geläuterter Staat. Die ‚wenigen ewig Gestrigen‘ dienen als Möglichkeit zur Abgrenzung, als Vergewisserung aus der Geschichte gelernt zu haben, und somit als Rechtfertigung für einen neuen, vermeintlich besseren und weltoffenen Nationalismus. Besonders deutlich zeigte sich dies während der Gedenkfeier zu den rassistischen Progromen in Rostock-Lichtenhagen, welche sich vor 20 Jahren ereigneten. Während sich Joachim Gauck in seiner Rede als „Vertreter eines offenen und hilfsbereiten Deutschland[s]“1 inszenierte, zeigte sich die rassistische Alltäglichkeit: geladenen Vertreter*innen des „deutsch-afrikanischen Freundeskreises Daraja e. V.“, unter ihnen ein Vorstandsmitglied, wurde der Zutritt zur Gedenkfeier ohne Begründungen verwehrt.
In Dortmund kam es dieses Jahr im Vorfeld zu den geplanten Protesten gegen den „nationalen Antikriegstag“zu starken Beeinträchtigungen des antifaschitischen Protestes, bis hin zum Verbot des geplanten bundesweiten „Antifacamps“.
Das Vorgehen von Stadt und Polizei gegen das Antifa-Camp und Antifas in Dortmund nach dem Verbot des „nationalen Widerstands Dortmund“ gleicht einem politschen Tätigkeitsverbot. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Neonazis“ scheint den Verantwortlichen in vielen Städten nicht gelegen.
Extrem rechter Terror und der Verfassungsschutz
Auch bei anderen Übergriffen auf Menschen oder der erst in diesem Jahr bekannt gewordenen Mordserie des „NSU“, glich der oft geforderte „Aufstand der Anständigen“ eher einem kurzen Piepen in der sonstigen Medienlandschaft. Forderungen nach einer Auflösung des Verfassungsschutzes wurden laut, dennoch hat sich bis heute kaum etwas verändert. Veränderungen brauchen zwar Zeit, diese ist aber schon lange abgelaufen.
Ein Geheimdienst der trotz einer Vielzahl von Hinweisen untätig blieb und nun im Nachhinein weiterhin Ermittlungen stört, der weckt Zweifel an seiner Rolle und damit an seiner Existenzberechtigung.
Deutsche Zustände bekämpfen
Auch andere Debatten zeigen, wie weit Deutschland von einer demokratischen Gesellschaft entfernt ist: Arbeitslosigkeit wird mit langer Tradition mit „assozial“ gleichgesetzt, Frauen in einem Lohnarbeitsverhältnis verdienen immer noch weit weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen. Das traditionelle Familienbild wird weiterhin subventioniert, durch die rechtliche Abschottung der heterosexuellen Ehe, einem vom Staat übernommenen, ursprünglich nur religiösen Konstrukt, in dessen Schema nicht heterosexuelle Menschen nicht passen. Dafür werden Ersatzkonstrukte, wie die „Lebenspartnerschaft“ entworfen, die bis heute der Ehe nicht gleichgestellt und mehr als Flickwerk zu verstehen sind. Das Ziel einer emanzipierten Lebensweise muss daher die Abschaffung der gesetzlichen Ehe, zugunsten einer Zivilrechtlichen Lösung sein, bei der nicht das Geschlecht, deren sexuelle Orientierung oder die Anzahl der Partner vorgeschrieben wird. Die Liste der unerträglichen Zustände lässt sich in jeden Lebensbereich und in jede Lebensrealität übertragen. Diese Zustände in der deutschen Gesellschaft kommen nicht von ungefähr, sondern sind Summe und Ergebnis der deutschen Geschichte. Werden also Veränderungen gefordert, ist eine Auseinandersetzung mit den Ursprüngen des Problems unabdingbar. Dies gilt sowohl für jede Form der Diskriminierung aufgrund von Religion, Geschlecht oder auch sozialer und kultureller Herkunft als auch für wirtschaftliche Entwicklungen und daraus entstandenen Arbeitsverhältnissen. Ein Blick in die Vergangenheit bleibt nicht aus, wenn man deutsche Zustände bekämpfen will und ein besseres Leben für alle fordert.